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Kindertanzpädagogik in der Praxis

Wir lieben unseren Beruf, wir lieben die Arbeit, den Umgang und das Tanzen mit Kindern.

Wir freuen uns auf die Klassen, die wir über Jahre allmählich aufgebaut haben und mit denen es unglaublich Spaß macht, zu arbeiten.

Wir gehen nach Hause und freuen uns immer wieder neu, dass wir uns für den richtigen, beruflichen Weg entschieden haben.

Ich würde sagen, dass die Mehrheit aller Trainerinnen und Trainer dieses Gefühl kennen.

Was aber nicht so gerne und vor allem offen ausgesprochen wird, ist die andere Facette des Unterrichtens. Wenn nämlich die Klassendynamik nicht funktioniert, wenn das Unterrichten dieser Klassen schwerfällig ist und einfach keinen Spaß machen will.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich die Einzige bin, die dieses Gefühl kennt.

Warum funktionieren manche Klassen einfach nicht, was passt da nicht und wie kann ich es ändern?

Diesen Fragen möchte ich auf den Grund gehen.

 

Okay, und was willst du wirklich tanzen oder tun?

Welche Faktoren empfinden wir als Störungen?

 

·              Ins Wort fallen bei Erklärungen

·       Ablehnende Gestik und Mimik 

·       Ständiges miteinander sprechen

·       Es wird nicht richtig mitgemacht oder sich nicht richtig angestrengt 

·       Regelmäßige Verzögerungen des Unterrichtsbeginns, da einige immer zu spät kommen

·       Ignorieren der gemeinsam aufgestellten Regeln

·       Quatsch machen  

·       Ignoranz gegenüber anderen

·       Konkurrenzdenken

 

Die Liste ist sicherlich nicht vollständig aber einige der Faktoren, wenn nicht sogar alle, habe ich in meinen Unterrichtsklassen schon erlebt.

Nun kann ich darauf sehr emotional reagieren oder mit Sachlichkeit agieren.

Aber – wenn Emotionen mit ins Spiel kommen, wird es problematisch. Warum ist das so?

Du hast eine Erwartungshaltung gegenüber deinen Schülerinnen und Schülern. Du hast einen tollen Unterricht vorbereitet und einige aus der Klasse scheint dies gar nicht zu interessieren. Das führt zu Enttäuschungen und diese sind kein guter Ratgeber, um aus der Situation herauszukommen

Hier findest du eine passende Podcastfolge

Störungen haben Vorrang!

Was als Störung wahrgenommen wird, ist in erster Linie ein sehr subjektives Empfinden. 

Diese Empfindungen sind zudem veränderbar. Je nach meiner eigenen Stimmung und Tagesform variieren meine Wahrnehmungen.

Was mich gestern gestört hat, kann ich möglicherweise heute tolerieren. 

Was mich heute an einem Kind stört, nenne ich morgen vielleicht:

 „Das Kind ist eine starke Persönlichkeit“.

 

Die Fragestellung sollte eher dahingehend ausgerichtet- Wie wichtig die Störung eigentlich ist.

Zwei Komponenten gilt es zu unterscheiden und einzuordnen.

Ist es eine zeitlich begrenzte Störung, weil uns ein Kind unbedingt etwas sagen möchte und uns ins Wort fällt oder ist es eine relevante Störung, die den Unterrichtsablauf blockiert oder unterbricht.

Hier ein Beispiel aus der Arbeit mit kleinen Kindern, welches sicherlich alle kennen, die mit dieser Altersgruppe arbeiten.

 - Ein Kind muss dringend auf Toilette gehen und kaum ist dies gesagt, dann melden sich weitere Kinder und haben angeblich das gleiche Bedürfnis.

 

Ein Dilemma, denn diesen Umstand können wir als Trainer/in nicht ignorieren. Schließlich ist es ein menschliches Bedürfnis. 

Aber definitiv auch eine Störung im Unterrichtsablauf. 

In diesem Beispiel ist es eine zeitliche Unterbrechung, die mehrere Minuten in Anspruch nehmen wird.

Zudem musst du bei diesem Umstand auch verstehen, dass ein Kind in den Mittelpunkt gerückt wird, ihm gehört nun die gesamte Aufmerksamkeit. Diese Beachtung möchten andere Kinder ebenfalls genießen und daher kommt dann oft dieser Herdentrieb von „Ich auch, ich auch!“

Hier gilt es genau hinzuschauen und einzuschätzen, worum es gerade geht.

Geht es um ein Bedürfnis oder um den Wunsch nach Aufmerksamkeit.

Für dich als Trainer/in bedeutet dies, dass du einen kurzen Moment aus der eigentlichen Unterrichtssituation ‚heraustreten‘ musst, um nachzudenken und zu entscheiden, wie du mit der Situation umgehen möchtest. Anschließend kommunizierst du dann dementsprechend mit den Kindern. 

 

Ein gutes Regelwerk dient als Unterstützung!

Uns steht nur eine begrenzte Zeit mit unseren Schülerinnen und Schülern zur Verfügung. Beim Tanzen mit kleinen Kindern sind es zum Beispiel

meist nicht mehr als 45 Minuten Unterricht. Da wollen wir natürlich Störungen möglichst vermeiden.

Ein klares Regelwerk, mit der Klasse gemeinsam aufgestellt, ist eine sehr hilfreiche Methode und sie funktioniert.

Regeln bieten Struktur. Ohne Regeln funktioniert die Arbeit innerhalb von Gruppen nur mäßig bis gar nicht und ohne Regeln werden sich Störungen regelmäßig in deinem Unterricht wiederholen. 

 

In meinem obigen Beispiel könntest du folgende Regel aufstellen:

Der Toilettengang sollte vor oder nach dem Unterricht stattfinden, nicht im Unterricht. 

Auch wenn es dich nicht davor schützt, dass du immer wieder Kinder hast, die innerhalb deines Unterrichts die Klasse aus diesem Grund kurzzeitig verlassen müssen, so wird sich im Laufe der Zeit diese Regel verfestigen und diese Form der Störung wird immer seltener auftreten.

 

Eine Gruppe muss sich entwickeln!

Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass die Kinder, mit denen wir arbeiten, aus unterschiedlichen Erziehungsmustern kommen. Aus diesem Grund ist es unrealistisch zu glauben, dass sofort eine völlig harmonische Gruppe existieren wird. 

Jede neu zusammengesetzte Gruppe muss erst einmal zusammenwachsen. Dabei geht es nicht darum, dass die Gruppe nur funktioniert und durch Regeln in eine bestimmte Richtung „dressiert“ wird. 

Es geht immer um ein produktives Miteinander. 

Wir arbeiten in der Tanzkunst und bei unseren Kindern wollen wir deren Kreativität wecken und fördern, wir wollen, dass sich unsere Schülerinnen und Schüler im jeweiligen Tanzstil technisch entwickeln. Das geht nicht per Knopfdruck.

Ich muss also als Trainer unbedingt Räume schaffen, in denen sich die Kinder ausprobieren können. Dies schließt das Ausprobieren von Verhalten, welche wir möglicherweise als Störung empfinden, mit ein.

Dies bedeutet aber nicht, dass du alle Störungen zulassen sollst. Nichtbeachtung kann die Verstärkung von Verhaltensweisen bewirken. Genau das wollen wir ja gerade nicht.

 

Der Trainer, die Trainerin im Mittelpunkt!

Ein wichtiger Punkt ist somit, sich darüber klar zu werden, wie viele Störungen ich als Trainer/in zulassen kann, ohne von meinem Stundenziel zu weit abzukommen. 

Wie kann ich das erreichen?

In erster Linie bedeutet es sich zu reflektieren. Ich muss meine eigene Einstellung zum Unterricht und den Kindern überdenken.

Ich verschiebe den Blickwinkel, den Rahmen und stelle nicht das „störende Kind“ in den Mittelpunkt, sondern mich.

Ich muss also in erster Linie bei mir persönlich anfangen und mich hinterfragen, wo denn meine eigene Toleranzgrenze liegt.

Wann fühle ich mich noch wohl mit meiner Klasse und wann wird es zäh und schwerfällig. 

Überdenke also deine eigene Erwartungshaltung und lass diese nicht zum Stolperstein werden. Sei flexibel und stelle dich auf spontane Richtungswechsel ein.

Ein wichtiger Aspekt ist auch der Zeitpunkt, um auf eine Störung zu reagieren.

Reagiere zeitnah und direkt, damit deine Klasse den Zusammenhang deiner Reaktion nachvollziehen kann und scheue dich nicht, Grenzen zu setzen. Manchmal genügt schon ein direkter Augenkontakt zu dem betreffenden Kind und ein unpassendes Verhalten wird beendet.

 

Das Positive in einer Störung erkennen!

Was eine Störung aber auf jeden Fall bewirkt, ist eine intensivere Auseinandersetzung mit deiner Unterrichtsklasse. Du regst im besten Fall Diskussionen an, wenn es um das gemeinsame Aufstellen von Regeln geht. Du kommst in einen emotionalen Austausch mit deiner Klasse, den du wahrscheinlich so nicht hättest, wen alles ‚glatt‘ laufen würde.

Du sprichst darüber, was dein Wunsch, dein Ziel der Zusammenarbeit ist. Dies kann auf viele Schüler/innen sehr motivierend wirken. Sie verstehen den größeren Zusammenhang und gehen aktiver in die Detailarbeit.

Auch du wirkst und bist dadurch viel präsenter im Unterricht. Dir muss immer klar sein, dass dein eigenes Auftreten und Verhalten der Motor für den Verlauf einer Stunde ist.

Wenn dann gewünschte Verhaltensweisen auftreten, kannst du durch ein Lob zeigen, dass du die Veränderung wahrgenommen hast.

Der permanente Austausch schweißt dich mit der Gruppe zusammen und du erschaffst so einen Nährboden, für eine langfristige und vor allem positive Zusammenarbeit.

 

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